Seit 25 Jahren stehen sie gemeinsam auf der Bühne. Nun spielen Mellow Melange am 19. Mai ein Konzert im Club 100.
SIMON WILKE
Bremen. Liest eigentlich noch irgendjemand virtuelle Gästebücher? Zumindest in Erwägung ziehen sollte das, wer sich vor dem Besuch eines Mellow Melange-Konzerts unsicher ist, die richtige Wahl getroffen zu haben. Ersatzweise hier ein kleiner Auszug:
Sigrid und Dietmar: „Wir sind durch halb NRW gefahren, um euch einmal live zu erleben. Und es war wirklich ein grandioses Erlebnis.“
Ralf: „Hallo, ich war Sonntag auf eurem Konzert [...] und den Freunden, die mir zu einem Besuch geraten haben, habe ich anschließend dafür von Herzen gedankt.“
Martin: „Es ist mir unbegreiflich, warum Ihr nicht voll im Rampenlicht steht. Aber so richtig. Haben die alle was an den Ohren?“
Tja, haben sie? Wahrscheinlich nicht, auch wenn die Stimme von Sängerin Sonja Firker nicht zu überhören ist. Auch nicht das virtuose Klavierspiel von Michael Berger, die Saxofonsoli von Matthias Schinkopf, die Geige von Ingo Höricht. Nicht einmal der Kontrabass von David Jehn, obwohl er eben ein Bass ist. Aber es ist nun einmal so, dass Mellow Melange nicht die ganz, ganz große Nummer sind. Sie spielen „nur“ vor Hunderten, die Zahl ihrer monatlichen Hörer bei der Streaming-Plattform Spotify pendelt um die Tausend. Doch an Talent und Professionalität mangelt es sicher nicht. Sonja Firker hat mit Michael Bublé und Rod Stewart gearbeitet, Matthias Schinkopf mit Joe Cocker und Paul Anka.
Die Geschichte von Mellow Melange ist mittlerweile mehr als ein Vierteljahrhundert alt, und sie begann mit Ingo Höricht, der ein paar Songs geschrieben hatte, um sie mit Studiomusikern einzuspielen und dann Musikverlagen anzubieten. „Die Resonanz war nicht überwältigend, mit anderen Worten: Es gab kein Interesse“, erzählt er. Zumindest nicht auf Verlagsseite. Wohl aber bei den Musikern; die Idee einer Band war geboren, es fehlte nur noch die passende Sängerin. Doch dann kam, auf Empfehlung der Bremer Jazz-Sängerin und -Dozentin Romy Camerun, Sonja Firker zum Vorspielen und -singen nach Bremen gereist. Sie war die erste und letzte Kandidatin im Band-Casting, Mellow Melange war komplettiert.
Eine ungewöhnliche Melange
Musikalisch vereint das Quintett, der Name deutet es an, völlig verschiedene Richtungen. Sonja Firker nennt sich „Pop-Eule“, Michael Berger liebt improvisierte Musik, eine Menge Jazz und Folk, etwas Chanson und sogar Tango-Rhythmen bringen sie auf die Bühne. Jedes Stück ist selbst komponiert, fast alles von Ingo Höricht, der gleichzeitig kreativer Motor und Manager, Sprecher und Songschreiber der Gruppe ist. Und vielleicht passt es gerade deswegen so gut mit ihnen: Die Musik ist für sie gemacht. Und dazu kommt: „Wir haben uns einfach lieb“. Dabei sind sie keine Band, die sich gemeinsam die freien Wochenenden um die Ohren schlägt. Sonja Firker lebt weit weg, in Berlin, Matthias Schinkopf widmet große Teile seiner Freizeit seiner Billard-Karriere, und sowieso haben alle Mitglieder von Mellow Melange auch noch andere musikalische Projekte, in denen sie aktiv sind.
Kommen sie aber zusammen, greifen die Mechanismen schnell ineinander. Ist das Stück erst einmal arrangiert, spielen und singen sie es vom Notenblatt oder Tablet-Bildschirm ein, viele Proben brauchen sie nicht. Klingt es gut, gut. Sind sie mit einer Sequenz unzufrieden, wird noch etwas nachgebessert. Das läuft dann ungefähr so: Sonja Firker zu Matthias Schinkop: „Es wäre schön, wenn du beim letzten Refrain etwas leiser und dann zum Ende hin wieder lauter trommelst.“ Schinkop: „Okay, können wir probieren.“ Anspielen. Matthias Schinkop in die Runde: „Auch doof. Was machen wir denn da jetzt.“ David Jehn: „Schlag einfach nur auf Zwei und Vier.“ Anspielen. Michael Berger: „Das isses.“
25 Jahre vergehen nicht ohne Highlights. Sie waren auf Tour mit dem ehemaligen Bassisten der Rolling Stones, Bill Whyman, und seinen Rhythm Kings („Wir haben teilweise mehr CDs verkauft als die.“). Sie sind in einem Lokal im Pariser Bahnhof Gare du Nord als französische Band aufgetreten („Wir durften kein Wort sprechen.“). Diverse Male haben sie den Deutschen Rock & Pop-Preis in verschiedenen Kategorien gewonnen, beste Studioproduktion, bestes deutschsprachiges Album, Matthias Schinkopf war auch bester Solist („Mit Abstand!“). Zuletzt waren sie mit „Nimm mich hin, Dein Will“, ein Programm, bei dem sie Shakespeare Sonette vertonen, beim Shakespeare-Festival in Neuss.
Wer sich also nicht länger vorwerfen lassen will, etwas an den Ohren zu haben, sollte bei ihnen einmal hinhören. Ihre nächste Station ist im Bremer Pier 2, beim Club 100, vielleicht mit Publikum, wahrscheinlich eher ohne. Aber online oder live zuschauen sollte man allemal, finden sie. Denn: „Wir machen gute Konzerte. Man merkt, dass es die Menschen in Bauch und Herz trifft“, sagt Ingo Höricht. Und vielleicht gibt es dann bald wieder ein paar neue Einträge im Gästebuch von Mellow Melange.
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